Die Angst vor Frauenquoten

Quotenregelungen sind verbindlich, messbar und überprüfbar. Sie finden in der Schweizer Politik anerkannterweise Anwendung und sind in Reglementen verankert. Sei dies in den Parlamenten bei der Verteilung der Kommissionssitze nach Parteizugehörigkeit und Anzahl Sitze der Partei oder bei der politischen Zusammensetzung der Gerichte usw. – klassische Quotenregelungen! Warum sind Quotenregelungen in der Kategorie Geschlecht für eine Mehrheit ein rotes Tuch?

Die kleinsten Avancen in Richtung Frauenquoten lösen bei vielen Parteien und Unternehmen Angst und Untergangsstimmung aus. Sie sehen die Wirtschaft und den Wohlstand bedroht.

Das jüngste, mehr als harmlose Beispiel einer Quotenregelung bei Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von rund 200 Unternehmen, das im Rahmen der Revision des Aktienrechtes festgelegt werden sollte, löste eine unverhältnismässige Empörung aus. Gefordert sind – ohne jegliche Sanktionen! – 30% Frauen in den Verwaltungsräten und 20% Frauen in den Geschäftsleitungen. Das erst noch mit Übergangsfristen von fünf bzw. 10 Jahren.

Die Unternehmen und Parteien anerkennen unermüdlich die Notwendigkeit von mehr Frauen in diesen Positionen. Das sind die seit Jahren wiederkehrenden und mehr als heuchlerischen Lippenbekenntnisse, denen kaum wirkungsvolle Taten folgen. Was die Unternehmen und bürgerlichen Parteien am meisten fürchten, sind verbindliche Vorgaben, die sie zum Handeln respektive zur Umsetzung ihrer Lippenbekenntnisse drängen.

Gesetzliche Quoten bringen Veränderungen. Das zeigt das Beispiel Norwegen. Seit der Einführung 2003 ist der Frauenanteil in Verwaltungsräten bis heute auf 40% angestiegen. Ein Rekrutierungsproblem habe nicht bestanden, sagen sogar Vertreter der Arbeitgeberverbände.

Warum gehen Frauenquoten für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen alle Frauen an?

Nur ein kleiner Teil der Frauen (und Männer) arbeiten in Verwaltungsräten oder Geschäftsleitungen. Die meisten Gründe und Ursachen, die auf diesen Hierarchiestufen nach einer gesetzlichen Quotenregelung rufen, gelten für alle Arbeitsbereiche der Frauen. Sie liegen einerseits bei den Unternehmen und andererseits bei den gesellschaftlichen Rahmenbedingen der Frauen.

Das sind die wichtigsten Defizite:

Unternehmen

  • Arbeitszeitmodelle und Präsenzzeiten sind auf traditionelle Männerbiographien ausgerichtet
  • Unterbewertung der Teilzeitarbeit. Sie wird mehrheitlich als Neben- und nicht als Vollerwerb wahrgenommen und dementsprechend gibt es kaum Möglichkeiten zur Übernahme von Verantwortungs- oder Führungsaufgaben
  • Allgemein weniger Investitionen in die berufliche Förderung und Weiterbildung der Frauen
  • Nicht auf Frauenbiographien ausgerichtete Personalselektion und Weiterbildung
  • Fehleinschätzung des weiblichen Verantwortungs- und Führungspotentials
  • Gleichstellungsmassnahmen ignorieren weitgehend den familiären Bereich und erschweren die Vereinbarkeit von Beruf und Kind
  • Wiedereinstieg der Frauen ins Berufsleben wird zu wenig gefördert
  • Mangelnde Transparenz bei den Löhnen und Einstufungskriterien stützt die Lohnungleichheit

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

  • Die Haus-, Familien- und Betreuungsarbeit ist nach wie vor weitgehend Frauensache!
  • Die Sozialversicherungen sind auf Männerbiographien bzw. Vollzeitarbeit ausgerichtet. Erwerbsunterbrüche und Pensenreduktionen (siehe oben) haben für die Frauen gravierende Folgen bei der Altersrente.
  • Zu wenig, zu teure und zu unflexible familienergänzende Kinderbetreuungsangebote
  • Schulstrukturen nehmen wenig Rücksicht auf Frauenbiographien (Berufstätigkeit, Alleinerzieherin usw.)
  • Doppelbelastung der Frauen durch Beruf und Familie wird als „normal“ wahrgenommen

Es müssen auch individuelle Barrieren benannt werden, denn die Verantwortung liegt nicht allein bei der Gesellschaft und den Unternehmungen. Frauen haben oft ein fehlendes Selbstvertrauen und unterschätzen ihre Fähigkeiten. Das verhindert klare Vorstellungen für die berufliche Laufbahn und die Familienplanung. Eine weitere Falle lauert bei der persönlichen Entscheidung für Familie und Kind. Es geschieht immer noch viel zu oft, dass gut ausgebildete Frauen mit ausgewiesenen Leistungen im Beruf ihre Ambitionen zugunsten der beruflichen Ziele/Karriere des Partners zurückstellen. Die für beide Seiten (Frau und Mann) annehmbaren Bedingungen sollten vor dem ersten Kind ausgehandelt werden. Das  Aushandeln braucht oft Mut, Hartnäckigkeit und kann auch ernüchternd sein.

Ebenso muss sich eine Mehrheit der Männer selbstkritisch eingestehen (die Genossen nicht ausgenommen), dass die vollzeitige Erwerbstätigkeit weitgehend ihrem Selbstbild entspricht. Der Drang der Männer, zugunsten der Familien- und Betreuungsarbeit das Pensum mit den entsprechenden Konsequenzen zu reduzieren, ist auch heute immer noch nicht allzu gross.

 

Margrit Blaser, SP-Frauen Kanton St.Gallen

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