Frühlingssession mit der Zukunft im Blick

 

Die Entscheidung zur Rentenreform war ein wahrer Krimi. Daneben erledigten National- und StänderätInnen weitere zukunftsweisende Geschäfte wie das Pariser Klimaabkommen. Und: Beim Sparen wurde nicht gespart. Der Sessionsrückblick von SP-Nationalrätin Claudia Friedl. 

Altersreform 2020

In der ersten Woche war die 2. Runde der Rentenreform 2020 an der Reihe. Das Herzstück der Debatte: Wie sollen die Verluste bei den Renten kompensiert werden? Die SP-Delegation war geschlossen auf der Linie des Ständerats: Die Verluste bei den Pensionskassen sollen über 70.- Fr. mehr AHV kompensiert werden. Eine Kompensation braucht es, da bei den Pensionskassen mit der unausweichlichen Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8 % auf 6 % die Renten um zwölf Prozent gekürzt werden. Das Ganze entwickelte sich zum Grabenkampf: SP, CVP und Grüne wollten die solidarisch finanzierte AHV stärken. SVP, FDP und GLP wollten davon nichts wissen und lieber die Pensionskassen ausbauen und damit gewinnorientierte Versicherungsgesellschaften stärken. Gleichzeitig wollten sie eine automatische Rentenaltererhöhung auf 67 Jahre im Gesetz festschreiben, welche dann eintritt, wenn der AHV-Fonds eine gewisse Unterdotierung erreicht. Das perfide daran: Weil sie der AHV nicht genügend Einnahmen zugestehen wollten, wäre dies wegen den jetzt ins Rentenalter kommenden Babyboomer ganz schnell der Fall gewesen. Ein Zerren gab es auch um den Koordinationsabzug. Die Bürgerlichen wollten ihn gänzlich abschaffen. Unsere Befürchtung war, dass der Abzug wegen der hohen Lohnabzüge bei den tiefen Einkommen zum wahren Jobkiller geworden wäre.

Auch das weitere Hin- und Her zwischen den Räten brachte kaum noch Bewegung in die Sache. So kam es zur Einigungskonferenz. Obwohl wiederum stundenlang gefeilscht wurde, kam nichts Neues heraus. Einmal gewann der Ständerat (70.- Fr. mehr AHV für alle NeurentnerInnen), einmal gewann der Nationalrat (eine Mehrwertsteuererhöhung von 0,6% statt 1%). Das bedeutet, dass die nächste Reform früher als ursprünglich geplant kommen wird, da weniger Geld in die AHV fliesst als ursprünglich vom Bundesrat zum Ziel gesetzt wurde. Am Abend vor der Schicksalsabstimmung wechselte die GLP ins „+70.- Fr.-Lager“. Dies war dringend notwendig, denn die Abstimmung verlangte das absolute Mehr, also 101 Stimmen. Zählt man alle Stimmen von SP, CVP, Grüne und GLP zusammen erhält man nur 99 Stimmen. Die Rettung waren die 2 Vertreter der Lega, die in der Fraktion der SVP politisieren. Ausgerechnet sie verhalfen der Altersreform 2020 zum Durchbruch. Rösti, Amstutz und Köppel versuchten bis kurz vor der Abstimmung sie noch umzupolen, vergeblich. Wäre ein Stuhl auf unserer Seite leer gewesen oder hätte sich nur 1 Person enthalten, wäre die ganze Reform gescheitert. Dementsprechend erleichtert waren alle nach der Abstimmung.

Die Linke musste einige dicke Kröten schlucken: Erhöhung AHV-Alter der Frauen, Senkung des Umwandlungssatzes. Eine Reform ist aber notwendig. Das jetzt vorliegende Resultat ist ein Kompromiss. Im September wird über die Reform abgestimmt. Das wird kein Spaziergang.

Klimaabkommen von Paris

Der Nationalrat hat das Klimaübereinkommen von Paris mit 104:87 Stimmen genehmigt, dagegen waren die SVP und mehrere FDPler. Die Schweiz will ihren CO2-Ausstoss bis 2030 um 50% gegenüber dem Zustand von 1990 senken. Die Diskussion nahm zum Teil trumpsche Formen an. Obwohl Klimaveränderung ein Fakt ist und globale Erwärmung mit Daten belegt werden kann, gibt es SVPler, die sich konsequent gegen diese Tatsachen stellen. Und es gibt Liberale, die meinen, Klimaschutzmassnahmen gefährden unsere Wirtschaft. Sie verkennen dabei, dass es gar keine Alternative dazu gibt, als Massnahmen zu ergreifen. Die Kosten für das Nichtstun wären deutlich höher. Die Schweiz ist auch darauf angewiesen, dass alle anderen Länder ihre Aufgaben erledigen. Nur so kann die Erwärmung unter 2 Grad gedrückt werden. Das gelingt nur, wenn alle beim Klimaabkommen mitmachen.

Klima- und Energielenkungsystem KELS

Mit einem neuen Verfassungsartikel hätten neue Lenkungsabgaben auf Energie eingeführt und die Förderabgabe (KEV) ersetzt werden sollen. Aber alle Parteien waren dagegen, aus unterschiedlichen Gründen. FDP und SVP wollen gar nichts machen – freier Markt. Die SP argumentierte, dass es keinen neuen Verfassungsauftrag braucht. Lenkungsabgaben sind keine neuen Steuern, weil sie der Bevölkerung und Wirtschaft rückerstattet werden. Die SP will einen Instrumente-Mix aus Lenkung, Förderung und Verbote. Das kann mit den bestehenden Instrumenten erzielt werden. Das Vorhaben ist vom Tisch.

Stabilisierungsprogramm 2017-2019

Die als Stabilisierungsprogramm getarnten Sparübungen konnten nach mehrmaligem Hin-und-Her erst durch eine Einigungskonferenz verabschiedet werden. Zuvor beharrte die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat in verschiedenen Punkten auf ihrer Position und wollte durchwegs mehr Sparen als der Ständerat, ganz besonders einschneidend beim Personal, aber auch bei der Migration und Integration oder im EDA. Auch setzte sie stur auf eine Kürzung der Gelder an die Kantone für die individuellen Prämienverbilligungen. Die Einigungskonferenz entschied da aber für die Variante Ständerat. Mit den Beschlüssen müssen im Jahr 2018 rund 755 Millionen und im Jahr 2019 rund 820 Millionen Franken gespart werden. Das ist immer noch weniger, als Ueli Maurer beantragt hatte. Die SP und die Grünen lehnten dieses Sparfestival einstimmig ab, alle anderen nahmen es an.

Geldspielgesetz

Bei der Diskussion zum Geldspielgesetz wurde eine Netzsperre für ausländische Online-Geldspiele beschlossen. Die Diskussion war äusserst kompliziert, lagen doch 4 verschiedene Konzepte vor. Wir stimmten der umstrittenen Netzsperre zu. Dies, weil die ausländischen Anbieter weder Abgaben an die AHV entrichten noch sich an den Spielerschutz halten. Zudem ist die Netzsperre nur als Hinweis vorgesehen, welcher darauf hinweisen soll, dass nun die Spielerseiten unter Schweizerrecht verlassen werden. Neu werden auch alle Lotterie-Gewinne, wie es heute bereits bei Casinos der Fall ist, steuerfrei sein.

Ernährungssicherheit

Nehmen wir es vorweg: Dieser neue Verfassungsartikel wird gar nichts bewirken. Der Nationalrat ist aber dem Ständerat gefolgt und hat einen Gegenvorschlag zum Initiativtext gutgeheissen. Damit liegt die Deutungshoheit nicht mehr nur beim Bauernverband, was denn wirklich gemeint ist mit den darin formulierten Erwartungen. Der Bauernverband hat bereits mitgeteilt, dass er seine Initiative zurückzieht.

Krankenkasse

Beide Kammern haben beschlossen, dass Familien und junge Erwachsene weniger Krankenkassenprämien zahlen sollen. Ein wichtiger Schritt um Familien zu entlasten, die heute teilweise Mühe haben, die immer höheren Krankenkassenprämien bezahlen zu können. Nur gerade vier SVP-Nationalräte waren in der Schlussabstimmung dagegen, darunter der St. Galler Nationalrat Toni Brunner. Im Ständerat war auch der FDP Ausserrhoder Andrea Caroni dagegen. Einfach unverständlich.

Medien

Die Medienfreiheit bleibt erhalten. So hat der Nationalrat beschlossen, dass das Parlament wie bisher nicht bei der Erteilung der Konzession an SRG & Co mitreden soll. Mit 99 zu 87 Stimmen bei 4 Enthaltungen lehnte er eine Motion der NR-Kommission aber nur knapp ab, die eine geteilte Kompetenz forderte. Damit hätte das Parlament deutlich mehr Einfluss auf die SRG gehabt, was anscheinend das Bedürfnis der zustimmenden SVP und GLP sowie der gespaltenen FDP war.

Freihandelsabkommen

Aus meiner Kommission, der APK, kam das Freihandelsabkommen mit den Philippinen. Dieses FHA enthält Umwelt- und Sozialstandards sowie arbeitsrechtliche und menschenrechtliche Aspekte. Das ist ein Erfolg: Lange hatten wir dies gefordert, denn Welthandel braucht Regeln. Jetzt stellte ich den Antrag, ein zivilgesellschaftliches Forum einzurichten, in welchem Organisationen der Zivilgesellschaft die Umsetzung und Einhaltung der Normen überprüfen können. Die Bürgerlichen lehnten diesen Antrag geschlossen ab. Aber er wird wieder kommen.

Verschiedene Vorstösse

Eine erfreuliche Abstimmung war, dass der Nationalrat die schulische Integration von spät zugewanderten Jugendlichen verbessern will. Die SVP war natürlich dagegen. Aber dies ist bei allen Fragen im Ausländerbereich so, ausser es geht um Verschärfungen, Einschränkungen, Ausgrenzungen.
Der Bundesrat muss zudem prüfen, wie sich in Flüchtlingslagern ein Angebot von Berufsbildung mit Abschlussdiplom besser unterstützen liesse.
Ebenfalls prüfen muss er, wie in der Schweiz mit Flüchtlingsfrauen umgegangen wird.
Unverständlich war hingegen, dass mit 71:111 Stimmen eine Motion ablehnt wurde, die es erlauben würde, dass unbegleitete minderjährige Flüchtende, die eine Ausbildung anfangen, diese auf jeden Fall abschliessen können. Nur gerade die SP, die Grünen und die Hälfte der CVP waren dafür.
Im Bereich Ausbildung und Integration laufen verschiedene Vorstösse und Vorhaben. Ich habe neu eine Interpellation eingereicht, welche sich nach den Unterstützungsmöglichkeiten für Flüchtlinge, die ihren Hochschulzugang wieder erlangen wollen, eingereicht. Dies in Ergänzung zu einer noch hängigen Motion vom letzten Sommer von Mathias Reynard (SP/VD).

Der Nationalrat beschloss, dass künftig die Veröffentlichung von geheimen Informationen nicht mehr grundsätzlich unter Strafe steht, sondern die Richter zwischen Geheimhaltungs- und Veröffentlichungsinteresse abwägen müssen. Ein wichtiger Entscheid, mit dem sich die Schweiz der Rechtsprechung des EMRK anpasst.

Wir haben viel abgearbeitet, zusätzlich zu Gesetzen und Berichten haben wir etwa 130 parlamentarische Vorstösse erledigt, aber gleichzeitig 250 neue eingereicht. Da geht uns die Arbeit sicher nie aus. Diese Woche geht es bei mir weiter mit der Aussenpolitischen Kommission, einem 2-tägigen Besuch einer Delegation des österreichischen Parlaments und einem Infotag bei der DEZA.

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