Manifest für eine konsequent feministische Sozialdemokratie – 100 Jahre SP Frauen* und kein bisschen leise

Wer glaubt, die Bezeichnung „konsequent feministische Sozialdemokratie“ sei provokant, der oder die kennt den Namen der ersten SP Frauengruppe nicht. Vor hundert Jahren, 1917, wurde die „Frauenagitationskommission“ innerhalb der Partei ins Leben gerufen. Sie entstand aus der Arbeiterinnenbewegung, die sich viel früher für die Rechte der Frauen einsetzte. Schon damals ging es um die frauengerechte Veränderung der Gesellschaft und um den Platz der Frauen innerhalb der Partei. Frauenagitation ist auch heute wichtig und dringend notwendig. Die Frauenbewegung, die weit mehr als die SP Frauen umfasst, erkämpfte in der Schweiz mit grosser Hartnäckigkeit elementare Menschenrechte für die Frauen. Dazu zählen: 1971 Einführung des Frauenstimmrechtes, 1988 Inkrafttreten des Neuen Eherechtes und 1996 kam das Gleichstellungsgesetz. Diese Grundrechte für die Frauen sind bei uns nicht älter als 46 Jahre!

Das Jubiläum „100 Jahre SP Frauen“ war der Anlass für die SP Frauen zur Reflextion über die heutige wirtschaftliche und strukturelle Situation der Frauen in der Gesellschaft und Partei. Damals wie heute stand bzw. steht die Machtfrage im Mittelpunkt. Das „Manifest für eine konsequent feministische Sozialdemokratie“ ist den mutigen Frauen der SP gewidmet, und es wurde am 14. Oktober 2017 von der Delegiertenversammlung der SP Schweiz verabschiedet. Es enthält konkrete Forderungen, aber auch langfristige Visionen. Aus feministischer Sicht, bei der die Infragestellung der Machtstrukturen im Zentrum steht, werden vier prioritäre Handlungsfelder mit den entsprechenden Forderungen aufgezeigt. Die Einführungen zu den Handlungsfeldern sind nicht nur zum besseren Verständnis der Forderungen sehr lesenswert.

Die ökonomische Mehrfachausbeutung der Frauen

Daraus resultieren die Forderungen wie Lohngleichheit jetzt, strukturelle und finanzielle Aufwertung der Care-Arbeit, staatliche Investitionen in die Betreuung von Kindern und Angehörigen, genügend Elternzeit für alle, Stärkung der AHV; Stärkung der feministischen Ökonomie, Stärkung der Frauen in der Politik sowie die rechtliche Gleichbehandlung unabhängig vom Zivilstatus.

Sexismus in der Gesellschaft: offene und versteckte Unterdrückung

Dabei liegen die Schwerpunkte bei Themen wie das konsequent intersektionelle Geschlechterverständnis mit dem Ziel, für die Gleichstellung aller Geschlechter zu kämpfen und die Vielfältigkeit der Geschlechter zu ermöglichen. Intersektionalität geht davon aus, dass sich Faktoren wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Behinderung auf das Ausmass der Benachteiligung auswirken und diese verstärken. Zu den Forderungen gegen die Unterdrückung gehören weiter die Bekämpfung der sexuellen und die sexualisierten Gewalt im privaten und öffentlichen Bereich.

Frauen*, Staat und Grundrechte

Die Forderungen sind auf die politische und rechtliche Rolle der Schweizerinnen, Ausländerinnen und Migrantinnen sowie auf eine feministische Friedenspolitik ausgerichtet. Dazu zählen: die Erhöhung des Frauenanteils in den politischen Gremien und die Stärkung der Partizipation und Einflussnahme der Frauen; die Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen. Im Asylbereich geht es um die Anerkennung der Gewalt gegen Frauen als Fluchtgrund und die einheitliche Anwendung der gesetzlichen Grundlagen für Opfer von Frauen- und Menschenhandel. Die Aufhebung der Wehrpflicht und der vermehrte Einbezug der Frauen in Friedensprozesse werden bei der Friedenspolitik gefordert.

Feministische Kritik an der SP Schweiz

Das ist das innerparteilich sensibelste Handlungsfeld im Positionspapier. Die SP ist keine Insel. Auch wir Genossinnen und Genossen sind Teil der Gesellschaft, und auch in unserer Partei finden sich Ausprägungen und Stereotypen von Benachteiligung, Diskriminierung und strukturellem Sexismus. In den letzten Jahrzehnten fand innerhalb der SP eine Sensibilisierung zum Geschlechterverhältnis statt. Die Rolle der Frauen in der Partei wandelte sich, und der Frauenanteil auf allen politischen Ebenen nahm zu. Wenn es der SP mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gleichstellung der Frauen ernst ist, genügt es nicht, wenn sie die „Frauenthemen“ aus politischer oder taktischer Opportunität in den Vordergrund rückt. Eine emanzipatorische Familien- und Gleichstellungspolitik ist genauso wichtig wie eine progressive Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die Forderungen beim Handlungsfeld zur Gleichstellungspolitik der SP reichen vom Aktionsplan der SP für die Gleichstellung bis zu den geschlechtergerechten Diskussionsstrukturen.

Laura de Weck gab den Genossen an der Delegiertenversammlung vom 14. Oktober 2017 eine simple Anleitungshilfe zum besseren Verständnis der Forderungen der Frauen: „Wir Frauen wollen nicht immer mehr, wir wollen nur die Hälfte“. So einfach ist das, packen wir es an!

Das SP-Manifest für eine konsequent feministische Sozialdemokratie ist unter www.sp-sg.ch unter Partei, SP Frauen, Positionen, zu finden.
Margrit Blaser

Präsidentin SP Frauen Kanton St. Gallen

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