ERFOLGE DANK NEUEN KRÄFTEVERHÄLTNISSEN IM NATIONALRAT – AUS DER SOMMERSESSION

Alles in allem war es eine recht erfolgreiche Session. Wir haben mit der Überbrückungsleistung ein neues Sozialwerk geschaffen, ein CO2-Gesetz mit Flugticketabgabe, Treibstoffzuschlag und Verbot von neuen Ölheizungen kreiert, das völlig überflüssige Zivilschutz­gesetz endgültig versenkt, die Ehe für Alle eingeführt. Es gab auch einige Niederlagen, dazu komme ich später. Von Claudia Friedl, SP-Nationalrätin.

Die Leidensgeschichte des CO2-Gesetzes ist vorbei. In der letzten Legislatur wurde es so stark verwässert, dass es von uns nur noch versenkt werden konnte. Nun hat sich das Blatt gewendet und es wurden sogar Fortschritte eingebaut. So muss neu mehr CO2 im Inland kompensiert werden (min. 75%). Neu wird es eine Flugticketabgabe zwischen 30 und 120 Franken sowie eine Erhöhung des Treibstoffpreises um 12 Rappen pro Liter geben. Dinge, die vorher undenkbar waren. Auch im Gebäudesektor werden neue Standards für Dämmung und Heizungen eingeführt. Neue Ölheizungen soll es nicht mehr geben. Teile der Energieabgaben sollen einerseits direkt an die Bevölkerung rückerstattet werden, andererseits in einen Fonds für Energiemassnahmen fliessen. Die SVP ist die einzige Fraktion, welche gegen das Gesetz wettert, alle anderen haben zugestimmt. Vor allem bei der FDP ist das ein klarer Wandel gegenüber der letzten Legislatur. Gössis grüner Kurs verfängt bis jetzt.

International und Menschenrechte

Nach jahrelangen Diskussionen gibt es jetzt mit der Schlussabstimmung endlich ein Resultat bei der Konzernverantwortungsinitiative. Der ursprüngliche Gegenvorschlag aus dem Nationalrat wurde durch den Ständerat auf Druck der Konzerne so verwässerte, dass jetzt nur noch jährlich ein Bericht verfasst werden muss, die Unternehmen aber für Menschenrechts- und Umweltverletzungen im Ausland nicht haftbar gemacht werden können. Damit ist dieser Gegenvorschlag nutzlos und wir haben ihn abgelehnt (die bürgerliche Mehrheit nahm ihn an). Die Initiative hat in der Volksabstimmung im nächsten November eine gute Chance angenommen zu werden. Im Parlament wurde sie zwar mit 87:109 abgelehnt, die Unterstützung ist aber doch recht gross.

Wie alle 4 Jahre wurde die Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit mit 5 Rahmenkrediten für die Entwicklungszusammenarbeit diskutiert. Neben der inhaltlichen Neuausrichtung der EZA, die durch Cassis geprägt wurde und durch eine Vernehmlassung wieder teilweise korrigiert werden konnte, war wie immer das Geld das wichtigste Thema. Ich versuchte den Betrag zu erhöhen auf 0.7% des Bruttonationaleinkommens. Dies ist das Mass, das von hochindustrialisierten Staaten international erwartet wird. Einige europäische Länder machen das oder überschreiten diese Erwartung noch. Zu Zeiten der Coronakrise ist eine Erhöhung der Beiträge wichtiger denn je. Aber auch schwieriger denn je, denn auch bei uns brauchen Menschen Hilfe. Das eine schliesst das andere aber nicht aus. Mein Erhöhungsantrag scheiterte ebenso wie ein Antrag der SVP, welcher die Entwicklungshilfe halbieren wollte. Am Schluss hat sich nach einem Abstimmungsmarathon zu unzähligen Varianten der Bundesrat durchgesetzt. Das bedeutet, weiter wie bisher, aber leider kein Fortschritt.

Ich stellte in der Fragestunde einige Fragen zur Aussenpolitik des Bundesrats. So zur Situation der humanitären Hilfe in Syrien, die der Bundesrat weiterführen will. Zur Situation bei der Aufnahme der unbegleiteten Minderjährigen aus Griechenland erklärte der Bundesrat, dass er plane, weitere aufzunehmen, aber nicht an ein grösseres Kontingent weiterer Flüchtlingsgruppen denke. Zudem erklärte der Bundesrat, dass er die Annexion Israels von Westjordanland als völkerrechtswidrig erachtet und kontraproduktiv für eine friedliche Lösung in der Region.

Gleichstellung, soziale Sicherheit und Wirtschaft

In dieser Session haben wir wirklich Geschichte geschrieben: Wir haben eine neue Sozialversicherung eingeführt! Mit den Überbrückungsleistungen werden ältere Arbeitslose davor geschützt, am Ende des Arbeitslebens bei Verlust der Stelle in die Sozialhilfe abzugleiten. Besonders erfreulich war die deutliche Zustimmung mit 128 Ja Stimmen. Dagegen getobt hat einzig die SVP. Nur soviel dazu, wer sich für die Menschen einsetzt.

Endlich! Der Nationalrat hat die Ehe für alle beschlossen inkl. der Samenspende für lesbische Paare.  132 waren dafür und nur 52 dagegen. Das ist ein starkes Zeichen! In allen westeuropäischen Ländern ist dies bereits heute möglich, die Schweiz hinkt hintendrein. Jetzt muss noch der Ständerat darüber entscheiden. Sagt auch er Ja, hat die EDU bereits das Referendum angekündigt. Ich bin mir aber sicher, dass diese Abstimmung deutliche gewonnen wird.

Zum Missfallen der SVP wurde noch ein Block «Aktuelle Debatte» zur Gleichstellung und Vereinbarkeit zu Zeiten der Corona-Krise und Lehren daraus, eingeschoben. Die Tatsachen, die zutage gekommen sind, über die systemrelevanten Berufe, das Ausmass an Betreuungsarbeit, die Bedeutung der Frauen waren eigentlich unbestritten, damit es wirklich auch Änderungen geben wird, braucht es die stete Forderung danach, wie sie auch dieses Jahr am 14. Juni am Frauenstreiktag wieder manifestiert wurde. Nur so bewegt sich etwas.

Die Mieten von während der Coronakrise behördlich geschlossenen Geschäften sollen zu 60% erlassen werden. Das hat der Nationalrat beschlossen, es ist aber bereits ein Kompromiss mit dem Ständerat und sollte deshalb dort durchgehen. Die Bürgerlichen aus der SVP, FDP und CVP taten sich schwer und stimmten dagegen. Damit foutieren sie sich über die Situation vieler KMUs, die um ihre Existenz bangen. Negativ ist, dass der Bundesrat nun das Tempo angibt. Es zeichnet sich ab, dass er bis in den Herbst hinein bummeln wird und das Gesetz viel zu spät kommen wird.

Die Coronakrise führte zu weiteren bizarren Situationen. Es lagen zwei Kommissionsmotionen vor, die eine Verlängerung der bereits abgelaufenen Bezugsdauer von Kurzarbeits- und Lohnausfallentschädigung für KMUs, Selbstständige, KünstlerInnen, etc. verlangten. Das Büro wollte sie ordnungsgemäss erst im September traktandieren. Allen ist aber klar, dass das Geld jetzt gebraucht wird und nicht erst im Herbst. Ganz knapp wurde ein Ordnungsantrag angenommen, sie sofort zu behandeln. Am folgenden Tag wurde mit einem neuen Ordnungsantrag die Streichung von der Traktandenliste verlangt, aus formalen Gründen. Der neue Antrag wurde angenommen mit 93 zu 89 Stimmen bei 12 Enthaltungen. Neben SVP, FDP und Teilen der CVP haben einige Grüne, darunter der designierte Präsident Balthasar Glättli, den ich sonst sehr schätze, mitgewirkt. Für die Betroffenen ist es ein schwerer Schlag. Es ist gar mit einer Konkurswelle im Sommer zu rechnen. Einmal mehr ist es die SP, die sich konsequent für die Arbeitsplätze und für die KMUs einsetzt.

Der Nationalrat empfiehlt mit 113 zu 76 Stimmen ein Nein zur Volksinitiative “Ja zum Verhüllungsverbot“, der sogenannten Burkainitiative. Die SVP und eine Mehrheit der CVP wollte die Initiative zur Annahme empfehlen. Zuvor hatte das Parlament schon einen Gegenvorschlag beschlossen, welcher die Enthüllung vor Behörden oder öffentlichen Institutionen vorschreibt, wenn die Identifikation der Person notwendig ist. Der indirekte Gegenvorschlag macht insofern Sinn, wenn man ihn als Alternative gegen die Initiative sieht. Er versucht wenigstens reale Probleme zu lösen, anstatt eine Scheinlösung anzubieten. Die Initianten behauptet mit ihrer Initiative etwas für die Frauen und ihre Unterdrückung zu tun. Als hätte sich die SVP schon jemals ernsthaft für Frauenrechte eingesetzt.

Militär, Zivildienst und Sicherheit

Das war eine Überraschung: In der Schlussabstimmung versenkte der Nationalrat die Änderung des Zivildienstgesetz mit 103 zu 90 Stimmen. Und dies, nachdem er sie im Juni in der Gesamtabstimmung noch mit 104 zu 86 Stimmen genehmigt hatte. Für uns war klar, die Änderung muss weg, denn sie hatte nur eines zum Ziel: den Zivildienst so unattraktiv wie möglich zu machen, um damit mehr Personen für die Armee zu bekommen. Statt die Armee attraktiver zu machen, wollte man lieber den Zugang zum Zivildienst erschweren. Neu hätten Personen, die von der Armee in den Zivildienst wechseln wollten, ein Jahr warten müssen und mehr Tage leisten müssen. Viel Diskussion um nichts, oder hat die Armee trotzdem was gelernt?

Lange diskutiert wurde auch über das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Es geht dabei um präventive Massnahmen, also bevor es zu strafbaren Handlungen kommt.  Den sogenannten Gefährdern kann das Bundesamt für Polizei Melde- und Gesprächsteilnahmepflichten, Kontakt- und Rayonverbote, Hausarrest oder Ausreiseverbote auferlegen. Wir haben das Gesetz abgelehnt, weil es Freiheitsrechte von Menschen beschneidet, die nichts verbrochen haben. So entsteht eine Kultur der Repression gegenüber den eigenen BewohnerInnen. Zudem richten sich Teile der Repression bereits gegen 12-jährige Kinder! Immerhin konnte die Präventivhaft, welche von der Kommission eingebracht worden war, wieder gestrichen werden. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz mit 111 zu 86 Stimmen angenommen, entlang der üblichen Parteienlinien (SP, Grüne, GLP dagegen, die anderen dafür).

In der nächsten Session werden wir uns wieder im Bundeshaus versammeln. Darauf freue ich mich. Ich wünsche allen einen schönen Sommer, trotz Corona und Einschränkungen. Bleibt gesund!

 

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