KEINE RENTENALTERERHÖHUNG FÜR FRAUEN,SOLANGE ES LOHNUNTERSCHIEDE GIBT

Der Sessionsrückblick von SP-Nationalrätin Barbara Gysi

Mit dem Sommer kehrt langsam eine neue Normalität ein. Das Leben pulsiert wieder in den Gassen der Altstadt und die Menschen freuen sich sichtlich darüber, sich wieder begegnen zu können. Das war auch im Bundeshaus zu spüren. Erneut beschäftigten wir uns mit dem Covid19-Gesetz und die Frage «Bisch au scho gimpft?» hat «Wie geht es?» fast ersetzt. Nebst den zahlreichen und wichtigen Themen der Session waren die Abstimmungen vom letzten Sonntag präsent. Diskussionen und Aufrufe gabe es bis zur letzten Minute. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie weiter… Wir erleben gerade, wie zentrale Dossiers scheitern oder nicht vorwärtskommen. Sowohl in der Europafrage, zu der wir in der 3. Woche eine aktuelle Debatte führten, als auch in der Klimapolitik stehen wir nach der verlorenen Abstimmung über das CO2-Gesetz vor riesigen Herausforderungen. Wenigstens konnten wir hier mit der Vorlage zur Förderung erneuerbarer Energien doch noch einen positiven Punkt setzen. Im für mich zentralen Geschäft dieser Sommersession, der Diskussion zur AHV21-Vorlage, ist die Situation jedoch verfahren.

Streitpunkt Frauenrentenalter und Ausgleichsmassnahmen
Nach den schwierigen Beschlüssen und Verschlechterungen des Ständerats in der Frühlingssession hatten wir in der Kommission die AHV21-Vorlage im Schnellzugstempo und in den meisten Themen gar ohne Diskussionen durchgepaukt. Die Kommissionsmehrheit wollte keine Hearings, verweigerte uns diverse Zusatzberichte zu möglichen weiteren Zusatzfinanzierungen für die AHV. Auch das Anliegen, allgemeine Gewinne oder Gewinne der Nationalbank aus den Negativzinsen wurde abgeschmettert. Dafür kam dann die SVP mit Einzelanträgen zur Mitfinanzierung über die Negativzinsen in die Nationalratsdebatte – mit Anträgen, die sie uns in der Kommission verweigert hatten. Unseriöser geht es nicht. Aber weil wir das Anliegen teilen, unterstützten wir diese Anträge natürlich. Kernelement der Vorlage ist aber das Frauenrentenalter 65 und die Ausgleichsmassnahmen für die Frauen einer Übergangsgeneration. Dazu hatten wir verschiedene Modelle mit verschiedenen Ausgestaltungen über 6 bis 14 Jahre. Der Ständerat schlug ein «Trapezmodell», mit Rentenzuschlägen, ansteigend nach Betroffenheit des Pensionierungszeitpunkts (3,6,9 Monate, 1 Jahr länger arbeiten müssen). Die Nationalratskommission schlug ein Modell nach Einkommenshöhe vor, dafür für alle Jahrgänge gleich hoch, unabhängig vom Pensionierungszeitpunkt gleich hoch. Der Bundesrat wollte eine Änderung der Rentenformel mit einer Erhöhung der Renten für die Übergangsjahre. Unterscheiden tun sich diese Modelle auch in der Anzahl der betroffener Frauenjahrgänge. Der Ständerat hatte sich für 9 Jahre ausgesprochen, die Nationalratskommission dann nur für 6 Jahre. Die Kosten variieren stark. So will der Ständerat nur 22% der eingesparten Summe einsetzen, der Bundesrat 33%, die Nationalratskommission 40%. Minderheitsanträge gab es zu diversen weitergehenden Varianten. Doch durchgesetzt hat sich die Kommissionsmehrheit. Nur 6 Frauenjahrgänge profitieren und das mit Zuschlägen, die ab dem ersten Jahr gleich hoch sind. Ob die Frauen 3 Monate länger arbeiten oder 1 Jahr, der Zuschlag ist gleich hoch, einfach abgestuft nach dem Einkommen. Aber weil viele Frauen Erziehungsarbeit leisten, profitieren sie nicht von den höchsten Zuschlägen. Unter dem Strich ein relativ teures, aber ineffizientes Modell.
Ein wichtiger Erfolg in Sachen Rentenzuschläge war uns schon der Kommission geglückt. Die Zuschläge werden bei der Berechnung für die Ergänzungsleistungen nicht angerechnet und führen zu einer echten, wenn auch bescheidenen Rentenverbesserung für die Betroffenen.
Für mich, für uns ist die Rentenaltererhöhung nicht akzeptierbar, solange die Lohnunterschiede und Lohndiskriminierung noch derart gross sind. Der Lohnunterschied beträgt 19% und die Frauen leisten jährlich für 248 Milliarden unbezahlte Arbeit – die Männer übrigens für rund 150 Milliarden.

Wenn die Lohnunterschiede beseitigt sind und die Frauen endlich gleich viel verdienen, dann bringt das der AHV 825 Millionen Franken an Mehreinnahmen. Das ist die Lösung, nicht das höhere Rentenalter.
Doch wird waren chancenlos. Alles Argumentieren half nichts. Die Kommissionsmehrheit setzte sich im Nationalrat durch. Wir beschlossen somit eine höhere Summe für die Ausgleichsmassnahmen, der Ständerat muss noch einmal über die Bücher und mehr einsetzen. Das «Trapez- Modell des Ständerats ist unseres Erachtens das bessere, weil es über mehr Jahre und das höhere AHV-Alter berücksichtigend den Rentenzuschlag gewährt. Doch die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass ohne genügende Kompensation gar nichts geht. In der 10. AHV-Revision wurden rund 80% der Einsparungen in Form der Erziehungs- und Betreuungsgutschriften an die Frauen zurückgegeben – und zwar dauerhaft. Es wurden nicht nur ein paar Übergangsjahrgänge abgespiesen. Das Volk wird auf jeden Fall darüber befinden, das Referendum kommt.

Pflegeinitiative vor dem Entscheid
Der Ständerat hat in dieser Session die Pflegeinitiative beraten. Nachdem im Frühling ein guter indirekter Gegenvorschlag verabschiedet wurde, hatte die Pflegeinitiative dann einen schweren Stand, auch in der Schlussabstimmung. Das Initiativkomitee, dem ich angehöre, wird unmittelbar nach der Sommersession zusammenkommen und eine abschliessende Beurteilung vornehmen. Der Druck ist gross, die Initiative zur Abstimmung zu bringen. Der indirekte Gegenvorschlag bringe zwar eine Ausbildungsoffensive, die eigenständige Abrechnung und eine Aufwertung des Berufs, löse aber das Grundproblem nicht. Zu viele Pflegefachpersonen steigen nach kurzer Zeit aus, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Namentlich hat es auf den Schichten zu wenig Personal. Darunter leidet die Qualität der Pflege massiv und die Sicherheit von uns Patient*innen ist gefährdet. Kommt es zur Abstimmung, dann werde ich mich stark für ein Ja zur Pflegeinitiative engagieren.

Mehr Licht ins Dunkel der Politikfinanzierung
In verschiedenen Kantonen hatten Volksinitiativen Erfolg, die Transparenz in der Politikfinanzierung forderten. Das hatte auch Auswirkungen auf unsere Debatte zur nationalen Transparenzinitiative. Ein guter indirekter Gegenvorschlag wurde erarbeitet. Beträge ab 15’000 Franken sollen offengelegt werden müssen. Das ist ein wichtiger Schritt. Auf dieser Basis sollte die Initiative wohl zurückgezogen werden.
Steuersubvention für Banken und Konzerne

Referendum gegen Stempelsteuerabgabe

Mit der Abschaffung der Stempelsteuer wie sie das Parlament am letzten Tag beschlossen hat, wird es zu massiven Einnahmenausfällen kommen. In einer regelrechten Salamitaktik soll es schrittweise passieren. Im Sinne von “Wehret den Anfängen” ergreift die SP Schweiz dagegen das Referendum. Über den Sommer müssen nun 50’000 Unterschriften gesammelt werden. Gemeinsam schaffen wir diesen Effort!

Ich habe zu Beginn der Session einen persönlichen Entscheid kommuniziert. Ich werde am Parteitag vom 28. August als Vizepräsidentin der SP Schweiz zurücktreten, nach neun spannenden und intensiven Jahren, in denen ich viel mitgestalten konnte und dabei viel gelernt habe. Ich werde das vermissen, dennoch möchte ich mit diesem Schritt wieder mehr Zeit zurückbekommen für die inhaltliche Arbeit und für mich selber. Und ich möchte mich in der Ostschweiz stärker engagieren, so etwa seit diesem Frühling im Vorstand des Spitexverbands SG/AR/AI.
Noch stehen einige Sitzungen, Retraiten und Seminare an. Doch die Sommerpause naht. Ich freue mich darauf. Die Berge locken und auch die Seen – hoffentlich könnt auch den Sommer geniessen.

 

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