Syrien: Sofortige Waffenruhe gefordert

In ihrem Sessionsbericht fasst Claudia Friedl die Ereignisse der Sommersession des Nationalrats zusammen. Themen sind Frieden und Sicherheit, Gleichberechtigung und Familien, Finanzen und das Staatspersonal, und weitere mehr. 

Frieden, Sicherheit & Armee

Gleich zu Beginn der Session haben wir im Nationalrat eine Erklärung zu Syrien verabschiedet, die alle Kriegsparteien dezidiert dazu auffordert, die völkerrechtswidrige militärische Interventionen in Gebieten Syriens sofort zu beenden, um der humanitären Katastrophe ein Ende zu setzen und Friedensverhandlungen zu starten, an denen alle Parteien, einschliesslich der Kurden, teilnehmen können. Diese Erklärung stammte aus einem Vorstoss von mir in der Aussenpolitischen Kommission. Dass der Rat sie mit 116 zu 57 und 13 Enthaltungen ebenfalls deutlich verabschiedete, war nicht zu erwarten. Negativ und gehässig äusserte sich einzig die SVP. Sie „sorgt“ sich einmal mehr um unsere Neutralität. Für sie heisst Neutralität wegschauen und Waffen liefern.

Einen langen Weg mit verschiedenen Vorstössen hat auch bereits der Atomwaffenverbotsvertrag hinter sich. Die Antwort des Bundesrats in der Herbstsession auf eine Frage von mir hiess: „Wir warten ab und treffen Abklärungen“. Jetzt aber überwies der Nationalrat mit 100 zu 86 Stimmen eine Motion von Carlo Sommaruga, welche eine Unterzeichnung des Vertrags verlangt. Die Ablehnung kam von SVP, FDP und einigen CVPlern.

Um Waffen ging es auch beim Schengen Waffenrecht, mit welchem halbautomatische Waffen und die Registrierung von Waffen verbessert werden sollen. Weil die Schweiz ein Schengenland ist, muss sie die neuen Regeln zum Waffenbesitz übernehmen. Weil wir aber Mitglied sind, können wir bereits bei der Erstellung des Gesetzes mitwirken (anders als bei EU-Gesetzen). So sind einige Ausnahmen für die Schweiz eingebaut worden, allen voran der Umgang mit der Armeewaffe. Die SVP und einige wenige Waffennarren stilisierten diese neue Regelung zur „Entwaffnung des Schweizer Mannes durch die EU“ hoch. Sie wollen am liebsten gar keine Regeln für den Besitz von Waffen – egal wie viele Tote es jährlich gibt.

Gleichberechtigung und Familien

Der Ständerat hat sich nun im zweiten Anlauf endlich dazu bereit erklärt, Unternehmen zu Lohnanalysen zu verpflichten. Er hat auch beschlossen, dass dies erst Unternehmen ab 100 Mitarbeitern machen müssen, was dazu führt, dass nur noch sehr wenige Unternehmen davon betroffen sind. Es sind auch keine Sanktionen vorgesehen. Es ist klar, dies sind Minimalumsetzungen des seit langem beanstandeten Umstands, dass es immer noch 7 Prozent  unerklärliche Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann gibt.

Der Bund wird auch nach 2019 noch weiterhin Kitas fördern, als Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders in ländlichen Gebieten hinkt das Angebot an Kita-Plätze stark hinterher. Für SVP und die Mehrheit der FDP ist das nicht nötig. Der selbsternannte Wirtschaftsflügel sagte Nein. Mit 103 zu 90 Stimmen wurde mit der Linken und der vernünftigen Mitte eine Verlängerung des Programms beschlossen.

Aktien, Finanzen, Personal

Der Nationalrat beugte sich über die rund 200 Seiten lange Fahne zum Aktienrecht. Seit Jahren wird versucht, das Aktienrecht zu revidieren, als Gesamtrevision oder als Teilrevisionen. Immer scheiterte das Vorhaben. Ein Kapitel darin, welches von Simonetta Sommaruga durch alle Böden verteidigt wurde, ist die Einführung eines Geschlechterrichtwerts. Neu soll im Verwaltungsrat börsenkodierter Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern der Frauenanteil min. 30% betragen. In der Geschäftsleitung soll der Anteil min. 20% sein. Das ist aber nicht als Quote sondern nur als Richtwert zu sehen, deshalb auch ohne jegliche Sanktionen. Und trotzdem passierte der Artikel nur hauchdünn mit 95 zu 94 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Eine dieser Enthaltungen kam von einer waadtländer SVP-Frau, die nach der Abstimmung noch im Saal von Mitgliedern ihrer Fraktion lauthals beschimpft wurde. Im Aktienrecht gibt es neu auch einen Abschnitt zur Verantwortung von ansässigen Unternehmen für ihre Geschäfte im Ausland was die Menschenrechte und den Umweltschutz betrifft. Dies ist als Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative gedacht. Die Initianten haben bereits deklariert, dass, wenn dieser Artikel nicht abgeschwächt wird, sie ihre Initiative zurückziehen werden. Ebenfalls in die Aktienrevision hat es das Anliegen für mehr Transparenz in den Rohstoffgeschäften  geschafft. Neu sollen Abbaufirmen zu mehr Transparenz über Zahlungen, die sie an Staaten leisten, verpflichtet werden. Eine völlig ungenügende Regelung, weil es in der Schweiz vor allem Rohstoffhandelsfirmen sind, die in die Pflicht genommen werden müssten. Die Schweiz ist einer der grössten Handelsplätze der Welt, deshalb haben wir uns für eine Regelung auch dieser Firmen eingesetzt, vergebens. Nun sind es rund vier Konzerne, die davon betroffen sind. Da bleiben wir weiter dran.

Ein anderer Wälzer, den wir auf dem Pult hatten, war die Revision des Gesetzes zum öffentlichen Beschaffungswesen. Was trocken tönt, hat Zündstoff und vor allem eine wichtige Weichenstellung bei der Festlegung von Bemessungskriterien bei Vergaben von Aufträgen durch die öffentliche Hand. Neu soll nicht mehr primär der Preis über den Zuschlag entscheiden, sondern auch Nachhaltigkeitskriterien und Menschenrechte. Für diese Ergänzungen musste schon im Vorfeld heftig gekämpft werden, damit sie Eingang ins Gesetz hielten. Auch wenn wir uns noch griffigere Massnahmen vorgestellt haben, ist dies doch schon ein Erfolg. Damit kann auch ein Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 geleistet werden.

Spannend waren für uns auch die Diskussionen im Ständerat zur Steuervorlage 17 und die Finanzierung der AHV. Es ist klar, die Steuerprivilegien der internationalen Konzerne müssen weg. Nach der Versenkung der USR3 durch die Bevölkerung braucht es jetzt eine Umsetzung, die gerechter ist als die letzte Vorlage. Der Ständerat hat nun die SV17 mit einer AHV-Teilrevision verbunden, welche die Finanzierung der AHV für die nächsten Jahre sichert und somit Zeit lässt, für eine neue Revision. Ich verstehe, dass diese Verknüpfung der beiden Vorlagen irritiert, aber so könnten zwei dringende Vorlagen mit Abstrichen auf beiden Seiten zu einem Abschluss kommen. In der Fraktion wurde das Thema heiss diskutiert und die Diskussionen sind noch nicht abgeschlossen. Bei der SV17 werden wir versuchen weitere Verbesserungen zu erkämpfen, wie z.B. in der Dividendenbesteuerung oder bei den Finanzinstrumenten (Patent-Box etc.). Am Schluss der Verhandlungen wird es ein Abwägen der Vor- und Nachteile brauchen.

Trotz Überschüssen in der Staatskasse treibt Ueli Maurer seine von rechts getragenen Sparpläne unbeirrt weiter. Zusammen mit Schneider-Ammann geht es jetzt der Agroscope an den Kragen. Aus 10 Standorten in der ganzen Schweiz soll die landwirtschaftliche Forschung nun auf einen Standort im Kanton Fribourg zusammengezogen werden. Hunderte Angestellte müssten den Wohnort wechseln und der neue Standort muss erst einmal noch gebaut werden. Jetzt wurde Schneider-Ammann durch Vorstösse aus dem Nationalrat und dem Ständerat gebremst. Zuerst braucht es eine Analyse, bevor so krass gehandelt werden kann.

Volksinitiativen

Schon in der ersten Woche wurde über die Selbstbestimmungsinitiative der SVP diskutiert. Die SVP möchte die Verfassung über internationales Recht stellen, was in der Konsequenz früher oder später zur Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention führen würde. Die SVP hatte in der Debatte ein Ziel: Die Initiative nicht fertig diskutieren lassen, damit die Volksabstimmung möglichst in den Wahlkampf 2019 fallen wird. Sie liessen 43 eigene RednerInnen auf die RednerInnenliste setzen und stellten ihren eigenen Leuten viele Fragen, aber auch jedem/jeder anderen RednerIn. Dem Ratspräsidenten blieb nur das Mittel in der letzten Woche eine Openend-Sitzung anzukündigen: Wir gehen erst heim, wenn die Schlussabstimmung gemacht ist. Um 23.30 war es dann soweit. Wie erwartet lehnten mit 127 zu 67 Stimmen alle ausser der SVP diese Isolationsinitiative wuchtig ab. Die Initiative sollte im November zur Abstimmung kommen und hoffentlich der SVP – mit einem grandiosen Nein – einen Denkzettel verpassen.

Wir behandelten auch die Zersiedelungsinitiative der jungen Grünen. Sie blieb mit 135 Nein zu 33 Ja und 22 Enthaltungen chancenlos. Selbst in unseren Reihen stiess sie nicht auf grosse Begeisterung, weil sie objektiv betrachtet zur falschen Zeit kommt. Gerade jetzt steht die Revision 1 des Raumplanungsgesetzes vor der Umsetzung und für die RPG2 laufen die Gesetzesvorbereitungen. Diese Argumente stimmen, aber es lässt sich auch nicht wegdiskutieren, dass heute noch täglich 8 Fussballfelder überbaut werden und es nicht danach aussieht, dass sich das bald ändern wird. Auch mit den beiden Revisionen nicht. Ein Grund für mich, der Initiative zuzustimmen.

Keine Chance hatte die Hornkuhinitiative. Sie verlangt, dass Bauern unterstützt werden, welche den Kühen die Hörner lassen. Das Horn ist ein wichtiges Sinnesorgan der Kuh, darüber wurden ganze Bücher geschrieben. Es geht dabei auch um die Würde des Tieres. Ob ein Subventionierungsartikel in die Verfassung gehört, ist eine andere Frage. Das hätte auf Gesetzes- ja sogar auf Verordnungsebene geregelt werden können. Die Initianten wurden aber mit ihrem Anliegen nicht ernst genommen und blitzten überall ab. Jetzt muss es die Bevölkerung richten, und das kann sie mit einer Initiative nur über die Verfassung.

Varia

Der Nationalrat hat eine Motion aus unseren Reihen über Cannabis abgelehnt. Damit sollten Versuche über den Cannabiskonsum zugelassen hätte. Dagegen waren natürlich die SVP und Teile der CVP und FDP. Durch die Ablehnung wurde eine Chance vergeben. Das Abstimmungsergebnis war mit 93:96 extrem knapp.

Damit der Rechtsstaat für alle gilt, dürfen die Hürden für einen Gerichtsprozess nicht zu hoch sein. Der Nationalrat hat eine Motion aus SP-Kreisen angenommen, welche die Zivilprozessordnung ändern will, damit es für alle möglich wird, vor Gericht gehen zu können. Das kann für etwas mehr Gerechtigkeit sorgen, indem nicht nur das Recht des Mächtigeren gilt.

Viel Umtrieb hat uns auch BR Ignazio Cassis beschert. Zuerst seine unreflektierte Plapperei zur Stellung Palästinas und zum UNO-Hilfswerk UNWRA, welche die Nahostpolitik des Bundesrats fundamental in Frage stellte. Kurz darauf kam er in die Schlagzeilen mit seinen Äusserungen zur Aufweichung der flankierenden Massnahmen gegenüber der EU, die er ebenfalls ohne Rückhalt aus dem Bundesrat verbreitete. Diese Aktionen haben viel Verunsicherung ausgelöst und stellen dem Bundesrat als Kollegium kein gutes Zeugnis aus.

 

Nach dieser spannenden Session geht es für mich gleich weiter. Am Mittwoch gehe ich in die Türkei als Wahlbeobachterin. Im Eilzug habe ich den erforderlichen e-learning-Kurs absolviert und gehe davon aus, dass ich somit für diese neue Herausforderung gewappnet bin.

 

Ich wünsche allen eine schöne Sommerzeit, wir haben ja bereits einen Vorgeschmack gehabt.

 

Beste Grüsse

 

Claudia Friedl

 

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